Der Beitrag bespricht zwei wissenschaftliche Sammelbände, die sich sowohl aus medienkomparatistischer als auch aus kulturwissenschaftlicher und historischer Perspektive mit Schwangerschaft beschäftigen. Dabei liegt der Fokus von Reproductive Rights Issues in Popular Media von Waltraud Maierhofer und Beth Widmaier Capo auf der zeitgenössischen medialen Darstellung und künstlerischen Adaption von Fragen zur Verhütung, Abtreibung und Schwangerschaft. Im Mittelpunkt stehen dabei Beispiele der gegenwärtigen Populärkultur mit internationalem Fokus. Der von Urte Helduser und Burkhard Dohm herausgegebene Band Imaginationen des Ungeborenen erarbeitet hingegen einen historischen Wissensdiskurs zur vorgeburtlichen Prägung des Ungeborenen, der auf die prominente Gefahr des Sich-Versehens durch die Mutter zurückgeht, wodurch die Vorsorgepflicht der Schwangeren gegenüber dem Ungeborenen eine neue, sich gerade heute noch stetig ausweitende, Dimension erhält.
Archive
Mary Shnayien: „There’s a better version of you out there.“ Überwachung, Personalisierung und die Sorge um sich im Selbstversuch
In einem Selbstversuch testet die Autorin das Fitnessarmband UP der Firma Jawbone, das auf Basis gesammelter Daten personalisierte Ernährungs-, Schlaf- und Sportempfehlungen ausgeben kann, und zeichnet ihre Erfahrungen mit dem UP-System auf. Dabei wird Personalisierung sowohl als Technologie des Selbst als auch als Überwachungstechnologie bestimmt und die sich an dieser Intersektion ineinander verschränkenden Begehren, Wünsche und Ängste kartographiert.
Carina Kötter: Under Construction. Mit mobilen Diätcoaches und Fitnessapps zum Idealkörper
Längst wird der Körper nicht mehr als biologisches Schicksal betrachtet, sondern bildet im Sinne des ‚perpetual beta‘ das Rohmaterial, das es mithilfe von Körperpraktiken, Ernährung und Technologien kontinuierlich zu formen gilt (Giddens, Posch). Der Körper ist Dreh- und Angelpunkt sozialer Anerkennung, in ihm manifestieren sich sowohl persönliches Versagen und mangelnde Selbstdisziplin als auch die erfolgreiche Optimierung durch Arbeit am eigenen Körper. Im Artikel steht die Bedeutung des Smartphones als immer verfügbares Optimierungsinterface des aktiv gestaltenden Individuums im Fokus. Ausgestattet mit einem Cluster aus Diät-, Sport- und Lifestyle-Apps wird es zum mobilen Expertensystem. Und die Apps gehen noch einen Schritt weiter: Durch die Vermessung des Körpers und seiner Leistungen sowie den Vergleich mit anderen über Rankinglisten, Trophies und Badges wird das akkumulierte Körperkapital (Bourdieu) zur sozialen Währung, auch – oder heutzutage gerade – in digitalen Netzwerken.
Mike Laufenberg: Die Kunst, nicht dermaßen naturalisiert zu werden. Fragmente einer Kritik biologischer Sexualitätsdiskurse
Mit dem allgemeinen Bedeutungsgewinn der neuen Lebenswissenschaften werden am Übergang zum 21. Jahrhundert auch biologische Ausdeutungen von Sexualität und sogenannter sexueller Orientierung aktualisiert. Mit Bezug auf sozialkonstruktivistische, dekonstruktivistische und im weitesten Sinne epistemologische Argumente wurden solche biologischen Sexualitätsdiskurse in der Vergangenheit häufig auf ein Problem des Wissens oder der Repräsentation reduziert. Der Aufsatz fragt dagegen nach den Möglichkeiten einer Kritik, die eingedenkt, dass mit dem biologischen Diskurs der Sexualität zugleich eine (sozial)ontologische Dimension gelebter Erfahrungen und Subjektivitäten verbunden ist.
Mona Motakef: ‚Hey big Spender!‘ Organspende zwischen Biopolitik und Popkultur
Organtransplantationen sind in einem besonderen Maße von der Spendebereitschaft abhängig. Deswegen ist es bedeutsam, dass von Organspende ein positives Bild besteht.
Am Beispiel einer Werbekampagne des deutschen Herzzentrums, die auf die Superheldinnen und Superhelden von DC Comics rekurriert, wird die Argumentation verfolgt, dass Organspende in der Regel heroisiert wird. Sie gilt als die moralisch gebotene Tat und als Akt christlicher Nächstenliebe. Auf Grundlage des Theorems der Gabe wird Organspende in diesem Beitrag als ambivalent analysiert. Die Heroisierung der Organspende, die mit der Ummantelung ihrer Ambivalenzen einhergeht, wird problematisiert und das Plädoyer für eine Politisierung von Organspende entfaltet.