Nina Menkes and the Hamburg International Queer Film Festival: A different was of depicting love and affection? Mathilde Laure Lehaen
Let’s bloom together in the dark – Das Hamburg International Queer Film Festival und die Dunkelheit als queere Heterotopie Mayra Lea Lohse
Riding Queer Waves – Experiencing Queer Joy and Queer Crisis Konrad Neiße und Anna Ben-Shlohmo
crises come in waves – and we’re riding them queer Tabea Speder
Den Bildern ver- oder misstrauen? Queere Erinnerung durch Critical Fabulation in Victoria Linares Villegas‘ Lo que se hereda Lukas Wierschowski
Zu dieser Ausgabe
Brachte die vergangene Ausgabe des onlinejournals kultur & geschlecht ein rundes Jubiläum mit sich, markiert die hier vorliegende 31. Ausgabe einen weiteren Umbruch: das journal erscheint heute in seinem 16. Jahr zum letzten Mal am Lehrstuhl für Medienöffentlichkeit und Medienakteure unter besonderer Berücksichtigung von Gender am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Es wurde dort 2007 von Prof. Dr. Astrid Deuber-Mankowsky gegründet und seither mit verschiedenen Co-Herausgeber_innen, aktuell Dr. Peter Vignold, herausgegeben. Obwohl im juridischen Sinne noch nicht volljährig, ist das onlinejournal schnell erwachsen geworden und bald über seinen ursprünglichen Zweck, besonders gelungenen Abschlussarbeiten ein Forum zu bieten, hinausgegangen. So ist es im Verlauf von 31 Ausgaben mit insgesamt 175 veröffentlichten Artikeln, zahlreichen Schwerpunkten, Sonderausgaben und Gastbeiträgen etablierter Forscher_innen zu einer Institution in der deutschsprachigen Gender/Medienkulturwissenschaft herangereift. Es soll deshalb auf Wunsch der aktuellen und ehemaligen Herausgeber_innen über die Emeritierung von Prof. Dr. Deuber-Mankowsky hinaus an einem neuen Ort und unter einer neuen Herausgeber_innenschaft weiter erscheinen. Das onlinejournal kultur & geschlecht verabschiedet sich aus diesem Grund in eine organisatorische Pause, aus der es im nächsten Jahr mit einem Generationenwechsel, einem neuen Herausgeber_innenteam und neuer Redaktion zurückkehren wird. Dabei steht der Ursprungsgedanke der Förderung neuer Stimmen im Diskurs der Geschlechterforschung weiterhin im Vordergrund und soll durch eine weitläufige Vernetzung über verschiedene Institute hinweg gestärkt werden.
Die in dieser Ausgabe enthaltenen Essays sind im Rahmen des Seminars „Queere Ästhetiken und die Polis/Politik des Festivals“ entstanden, das im Wintersemester 2022/23 von Prof. Dr. Astrid Deuber-Mankowsky (RUB), Prof. Dr. Henriette Gunkel (RUB) und Marie-Jahoda Gastprofessorin Prof. Dr. Zethu Matebeni (University of Fort Hare, South Africa) an der Ruhr-Universität Bochum veranstaltet wurde. Im Zentrum des Seminars standen ein gemeinsamer Besuch des 33. Hamburg International Queer Film Festivals (18.10.-23.10.2022) sowie die anschließende Reflektion und Diskussion der gesehenen Filme und vor Ort gesammelten Eindrücke. Die fünf ausgewählten Essays in dieser Ausgabe stellen in diesem Sinne eine zeitgenössische Reflektion des übergeordneten Seminarthemas anhand aktueller Filme dar, die im Rahmen des 33. HIQFF teilweise uraufgeführt wurden.
Wie viele andere Filmfestivals war auch das HIQFF von den Auswirkungen der Pandemie betroffen, was für queere Communities den Verlust eines wichtigen Raums bedeutete. Mit der Wiedereröffnung des Festivals stellen sich damit auch drängende Fragen, wie mit solchen und zukünftigen Krisen umgegangen werden kann. Tabea Speder greift diese Fragen in einem crises come in waves – and we’re riding them queer betitelten Essay auf, diskutiert, wie queere Filmfestivals in diesen Post-Krisenzeiten der Verletzlichkeit und den Sehnsüchten ihrer Communitys begegnen und bringt den Pandiemiefilm Três Tigres Tristes (Brasilien 2022 R: Gustavo Vinagre), mit dem das HQIFF eröffnete, hierzu in einen direkten Zusammenhang. Konrad Neiße und Anna Ben-Shlomo nähern sich diesem Problemkomplex aus entgegengesetzter Richtung und setzten ihren Fokus auf Fragen der Vermittlung von Queer Joy. In Riding queer waves – experiencing Queer Joy and Queer Crisis interessiert sie vor allem der an queere Filmfestivals gestellte Anspruch, Queer Joy zu vermitteln, ohne dabei heteronormative Narrative zu reproduzieren.
In ihrem englischsprachigen Essay Nina Menkes and the Hamburg International Queer Film Festival: A different way of depicting love and affection? diskutiert Mathilde Laure Lehaen Fragen nach Bildgestaltung und Blickarchitekturen in Les Meilleures (Frankreich 2021, Marion Desseigne-Ravel) und Uma paciência selvagem me trauxe até aqui (Brasilien 2021, Érica Sarmet). Vor dem Hintergrund von Nina Menkes‘ Dokumentarfilm Brainwashed: Sex-Camera-Power (D 2022), der sich mit shot design als gegenderter und im Mainstream-Film regelmäßig misogyner Praxis auseinandersetzt, fragt Lehaen, ob queerer Film den in der Bildgestaltung erscheinenden patriarchalen Strukturen etwas entgegenzusetzen weiß. Der queere Blick, den sie in beiden untersuchten Filmen identifiziert, zeigt alternative Wege auf, Filme zu machen, aber auch, sie anzusehen.
Les Meilleures spielt ebenfalls eine Rolle im Essay von Mayra Lea Lohse, hier jedoch unter dem Aspekt der „Dunkelheit als Ort des Aufblühens“. In Let’s bloom together in the dark – Das Hamburg International Queer Film Festival und die Dunkelheit als queere Heterotopie untersucht Lohse Dunkelheit als verbindendes stilistisches Element in so unterschiedlichen Produktionen wieLes Meilleures, Baba (Vereinigtes Königreich 2021, R: Adam Ali, Sam Arbor), This Is Not Me (Iran 2022, R: Saeed Gholipour) und Tytöt tytöt tytöt (Finnland 2022, R: Alli Haapasalo). Dunkelheit ermögliche den Protagonist:innen dieser Filme die Realisierung queerer Lebensentwürfe und Begehren, doch im Kontext des Festivals stellt sich auch die Frage, welche Rolle der verdunkelte Kinosaal in diesem Gefüge spielt.
In Den Bildern ver- oder misstrauen? Queere Erinnerung durch Critical Fabulation in Victoria Linares Villegas’ Lo que se hereda (2022) setzt sich Lukas Wierschowski intensiv mit den vom Film aufgeworfenen Fragen queerer Geschichtlichkeiten und Erinnerungspolitiken auseinander. Linares Villegas begibt sich in ihrem Film auf die Suche nach Spuren des Regisseurs Oscar Torres, der Teil ihrer eigenen Familiengeschichte ist, aber aus dieser aufgrund seiner Homosexualität verdrängt wurde. Hierbei interessieren Wierschowski vor allem der Umgang der Filmemacherin mit Fotografien, aber auch das vom Film betriebene Herausstellen der Unmöglichkeit von Repräsentation einer Vergangenheit, von der kaum Spuren existieren, hier in Anlehnung an Saidiya Hartman als „critical fabulation“ verstanden.
Wir danken allen Mitarbeiter_innen, Autor_innen und vor allem den Dozierenden, die uns auf die außergewöhnlichen Arbeiten ihrer Studierenden hingewiesen und damit geholfen haben, das onlinejournal kultur & geschlecht zu dem zu machen, was es werden durfte. Wir wünschen eine angeregte Lektüre und freuen uns sehr auf das Wiedererscheinen des journals in einer neuen, veränderten und verjüngten Form. Das neue Herausgeber_innenteam wird Sie so bald als möglich über das Datum informieren.
Astrid Deuber-Mankowsky und Peter Vignold
Nina Menkes and the Hamburg International Queer Film Festival: A different was of depicting love and affection?
Mathilde Laure Lehaen
The aim of this paper is to examine some productions showed at the Hamburg International Queer film festival 2022 under the light of Nina Menkes’ film/talk Brainwashed: sex, camera, power (USA 2022, D: Nina Menkes), also part of the festival, and particularly her “list” of items that she uses to prove that shot design is a gendered practice. Can we find those framing elements in queer films too? Are those settings challenged by the non-adherence of the characters to heteronormativity and the binaries associated with it? A long feature and a short film, both focusing on lesbian experience, were chosen as corpus. The queer gaze present in both those production, through narrative and formative elements, showcase that an alternative way of looking at and making movies is possible.
Let’s bloom together in the dark – Das Hamburg International Queer Film Festival und die Dunkelheit als queere Heterotopie
Mayra Lea Lohse
Die Dunkelheit als Ort des Aufblühens – ein zunächst paradoxer Gedanke. Nedjma, Saman, Emma, Brittania und weitere Charaktere der Filme, die auf dem Hamburg International Queer Film Festival gezeigten wurden, erlebten allerdings genau das: Die Dunkelheit ermöglichte es ihnen ihr queeres Leben und Begehren auszuleben. In der Dunkelheit blühten sie auf. Der Artikel diskutiert, inwieweit Dunkelheit als Queere Heterotopie verstanden werden kann und welche Rolle der Ort Kino in diesem Zusammenhang spielt.
Riding Queer Waves – Experiencing Queer Joy and Queer Crisis
Konrad Neiße und Anna Ben-Shlohmo
Nach einigen Tagen auf dem Hamburg International Queer Film Festival wurde in unserer Gruppe immer wieder die Frage laut: „Wo ist ‚Queer Joy‘? Der Begriff der ‚Queer Joy‘ wirft dabei auch Fragen nach der Wichtigkeit von queerer Freude auf und wie diese filmisch vermittelt werden kann. Mithilfe von Queertheoretiker*innen wie Lisa Duggan und José Esteban Munoz sollen im folgenden Essay diese Fragen anhand einiger Filmbeispiele des Hamburg International Queer Film Festivals geklärt werden.
crises come in waves – and we’re riding them queer
Tabea Speder
Nach den vergangenen Jahren der Covid-19 Pandemie und den drastischen Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens öffnen nun endlich auch die letzten Festivals ihre Tore für ein Wiedersehen ihrer Communitys – so auch das 33. Hamburg International Queer Film Festival. Doch nicht nur das Publikum hat sich verändert, auch Filmfestivals müssen ihre Rolle in aktuellen und zukünftigen Krisen noch finden. Diese Ausgangslage veranlasste einige Studierende, die das 33. Hamburg International Queer Film Festival besucht hatten, in essayistischer Form über die Strukturiertheit queerer Communitys und queerer Zukünfte nachzudenken. Konrad Neiße und Anna Ben-Shlomo widmen sich in „Riding queer waves – experiencing Queer Joy and Queer Crisis“ vor allem dem Anspruch an queere Filmfestivals Queer Joy zu vermitteln, ohne dabei heteronormative Narrative zu reproduzieren. Tabea Speder untersucht in ihrem Essay „crises come in waves – and we’re riding them queer” hingegen, wie queere Filmfestivals in diesen Post-Krisenzeiten der Verletzlichkeit und den Sehnsüchten ihrer Communitys begegnen und was wir vom dystopischen Eröffnungsfilm Três Tigres Tristes (2022) des Regisseurs Gustavo Vinagre über queere Krisenbewältigung lernen können.
Den Bildern ver- oder misstrauen? Queere Erinnerung durch Critical Fabulation in Victoria Linares Villegas‘ Lo que se hereda
Lukas Wierschowski
Wie kann an etwas erinnert werden, wovon es kaum Bilder gibt? Vor dieser Frage steht Victoria Linares Villegas in ihrem Film Lo Que Se Hereda, als sie den wenigen verbliebenen Spuren von Oscar Torres nachgeht. Oscar Torres war ein Regisseur in den 50er und 60er Jahren, homosexuell und Teil ihrer Familie, doch wurde er aus der Familiengeschichte verdrängt und ist in Vergessenheit geraten. Während im kontemporären queeren Kino eine Bewusstwerdung der eigenen queeren Geschichtlichkeit und die Koexistenz mehrerer queerer Generationen zu konstatieren ist, steht Linares Villegas hier vor einer Leerstelle. Aus ihrer Suche nach Bildern von Oscar wird eine Suche danach, wie gesucht und dargestellt werden kann.