Die sogenannte 24-Stunden-Pflege hat sich in der hiesigen Gesellschaft zu einem boomenden Geschäft entwickelt. Eine individualistische Lösung auf ein alltagsgefährdendes Problem: Die Pflege eines Angehörigen, die in postindustriellen Gesellschaften zwangsläufig mit unauflösbaren Widersprüchen verbunden ist. Strukturelle als auch normative Zwänge wie sie etwa in einer familialistisch ausgerichteten, deutschen Pflegepolitik oder starren Geschlechterkonstruktionen vertreten sind, schwingen bei der Entscheidung für eine angemessene Pflegeform unweigerlich mit. Sie werden von der steigenden Erwerbstätigkeit mittelständiger Frauen und dem Bedeutungsverlust von familiärer Gemeinschaft konterkariert. Eine privatisierte Auslagerung der familiären Verpflichtungen an eine migrantische, meist osteuropäische Care-Arbeiterin situiert ein Konzept, das diese Diskrepanzen abzufangen vermag. Doch welche Konsequenzen hat eine transnationale Arbeitsmigration auf die Lebensräume der so beschäftigten Frauen? Wie gestaltet sich die Ambiguität des Privatraums als marktförmige Reproduktionsstätte? Und welchen Einfluss übt ein solches Arrangement auf die Geschlechterkonstruktionen der Gruppe der polnischen Care-Arbeiterinnen aus? Der Beantwortung dieser Fragen soll in vorliegendem Artikel nachgegangen werden.
Archive
Julia Glitz: Alison Bechdels Queere Archive
Comics und Queerness haben einiges gemein. Brüche mit Vorstellungen von Kohärenz und Linearität werden hier sowohl durch hybride Materialität, als auch durch Projekte des Gegen-Lesens unter Aspekten von Zeit, Affekt und Spur verhandelt. In diesem Artikel werden queertheoretische Überlegungen Ann Cvetkovichs und José Muñoz auf das Medium Comic bezogen und an Beispielen der Comics Alison Bechdels analysiert. Die Potenziale des Queeren Archivs treten in Alison Bechdels Comics nicht nur thematisch offen zutage. Sie entfalten Fragen der Sammlung und Neuordnung von Vergangenheit entlang der homosexuellen autobiographischen, (Comic)Künstler_innenbiographie.
Vira Bushanska: Indigenous critique on the crossroads of culture, race and gender
Based on the ethnographic stories depicting the disconcerting aspects of cross-cultural communication in the Northern Territory, Australia, this article deals with the uncertainties of political communication and complex intersections of the issues of culture, race and gender in political discourses regarding Indigenous people. The central question is the one of different ways of knowing and dealing with Indigenous critique in a postcolonial society, their effects on political negotiations on different levels and possibilities of re-imagining those with respect to current political developments.
Magdalena John: #MeToo, TIME’S UP und das Verhältnis von Politischem und Privatem
Wenn wir versuchen zu begreifen was mit #MeToo gemeint ist, bieten sich hierfür eine Vielzahl von Narrativen und Diskursen an. So kann #MeToo als Social Media-Phänomen verstanden werden, aber auch als weltweites netzfeministisches Projekt. Unter dem Eindruck der Sichtbarmachung von durch Sexismus und vergeschlechtlichter Ausbeutung geprägten Arbeitsverhältnissen in der Filmindustrie mittels #MeToo, setzt sich in den USA die Initiative TIME‘S UP für den Arbeitsschutz von Frauen ein. Der Beitrag diskutiert entlang der Kategorien des Privaten und des Politischen feministische Einsätze im Kontext von #MeToo und TIME‘S UP und fragt in Anschluss an Hannah Arendt und Judith Butler danach, wie sich Prozesse und Praktiken der Ent-/Privatisierung und Re-/Politisierung unter zeitgenössischen digitalen Bedingungen neu denken lassen.
Silvana Schmidt: „Was ist dein Streik?“ Überlegungen zu einer neuen Widerstandskultur
„Was ist dein Streik?“ – diese Frage wirft das Autorinnenkollektiv Precarias a la Deriva auf. Im Zentrum des Manifestes steht die Frage nach einer Strategie zur kollektiven Bekämpfung prekarisierender Lebenszusammenhänge. Dabei wird auf einen Begriff der Prekarität zurückgegriffen, der den Fokus nicht ausschließlich auf ökonomische Aspekte lenkt und damit eine Abweichung von vielen sozialwissenschaftlichen Analysen darstellt. Der vorliegende Artikel möchte sich diesem Verständnis der Prekarität annähern und aufzeigen, welche Parallelen zu Judith Butlers Ontologie des Subjekts erkennbar sind. Interessant ist dabei die Thematik einer feministischen Widerstandskultur im Bereich der CARE-Arbeit. Was bedeutet es, innerhalb eines Feldes zu streiken, das auf Sorgearbeit basiert? Muss es in diesem Rahmen zu einer Neudefinition des politischen Subjekts kommen?