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Philipp Hanke: „Moonlight isn’t all about sex – and it’s all the more queer for it“: Sichtbarkeit und neue ästhetische Potentiale im gegenwärtigen Queer Cinema
Das gegenwärtige Queer Cinema wird regelmäßig zum Mittelpunkt von Debatten um die Sichtbarkeit von LGBT-Figuren und die Repräsentation queeren Begehrens. Insbesondere die (fehlende) Darstellung nicht-heterosexueller Sexualität führt Kritiker_innen zu pessimistischen Einschätzungen des Potentials und der Zukunft eines politischen queeren Kinos. Der Aktivismus des New Queer Cinema scheint angesichts gewonnener Kämpfe und einer fortschreitenden Kommerzialisierung vergessen. Doch eine Revision und genauere Betrachtung des NQC zeigt, dass das ‚Projekt Queer‘ nie immer nur um Repräsentation bemüht war, sondern Identitätskonzepte hinterfragte und neue Formen von Begehren denkbar machte – Ziele, die in Filmen wie etwa Barry Jenkins‘ Moonlight (2016) durch das Spiel mit Ästhetik und der filmischen Sprache erneut aufscheinen und deutlich machen, dass sich nicht (allein) die Filme ändern müssen, sondern die Art und Weise, wie wir sie sehen.
Philipp Hohmann: Zwischen Repräsentationskritik und Aktivismus. Ein Bericht zum Symposium Queer Exhibitions / Queer Curating, 19./20. Mai, Museum Folkwang, Essen
Der Tagungsbericht gibt einzelne Positionen des Symposiums Queer Exhibitions / Queer Curating, das am 19./20. Mai 2017 am Museum Folkwang in Essen stattfand, wieder. Besonders hervorgehoben werden Fragen der Repräsentation und Widerständigkeit von Queerness im Kunstkontext, in Bezug auf queeres Kuratieren, Aktivismus und die Problematik des White Cubes. Der Verlauf des Symposiums und seine allgemeinen Herausforderungen werden kommentiert.
Nicolai-Alexander Michalek: Outlast und Cry of Fear. Zum queeren Potenzial des Survival Horrors im Videospiel
Computerspiele operieren häufig unter der Voraussetzung eines heteronormativen Männlichkeitsideals. Dieses Ideal beinhaltet ein spezifisches Verständnis von Spielspaß, das scheinbar nur greift, wenn positive emotionale Zustände durch Dominanz im Wettkampfgeschehen ausgelöst und somit heteronormative, ‚männliche’ Charakteristika wie physische Stärke oder Durchsetzungsvermögen für die Spielenden affirmiert werden. Spiele, die diesem Verständnis von Spaß und Konkurrenzdenken zuwiderlaufen und die vor allem negative Emotionen des Versagens („No Fun“) hervorrufen, werden im Umkehrschluss häufig als fehlerhaft und ‚schlecht designed’ angesehen. Lässt sich dem entgegenhalten, dass diese Spiele die Chance bieten, aus eben jenem binären Verständnis von Spaß und Spiel auszubrechen? Besteht in ihnen ein queeres Potenzial? Der vorliegende Artikel möchte anhand von zwei Beispielen aus dem Genre der Survival Horror Spiele, Outlast und Cry of Fear, dieser Idee von „No Fun“ nachgehen und untersuchen, welche alternativen Erfahrungen von Spaß und Männlichkeit abseits der heterosexuellen Norm sie ermöglichen.
Anja Michaelsen, Karin Michalski: Eine Situation öffentlich zu beschreiben, kann schon Kritik sein. Ein Gespräch über feeling bad, neue Koalitionen und die Notwendigkeit, sich verletzlich zu zeigen
In The Alphabet of Feeling Bad (2012) zeigt die Künstlerin und Filmemacherin Karin Michalski ein experimentelles Interview mit der Theoretikerin und Aktivistin Ann Cvetkovich. In ihrer Performance erläutert Cvetkovich von A bis Z Begriffe wie Depression, aber auch alltägliche Formen des feeling bad, wie die Vorstellung, in einer Sackgasse zu stecken, sich gelähmt zu fühlen und von Anforderungen überwältigt zu sein, und versieht sie mit neuen Bedeutungen. Anschließend an Arbeiten queer-feministischer Theoretiker/innen und Aktivist/innen, neben Cvetkovich etwa Sara Ahmed, Heather Love und Lauren Berlant, wird feeling bad nicht als individuelles Versagen verstanden, sondern als kollektive „public feelings“, im Kontext von neoliberalen Arbeitsverhältnissen, Homophobie und Rassismus. Im Dezember 2012 hat Michalski im C60 Collaboratorium, Bochum, auf Einladung von Anja Michaelsen und Astrid Deuber-Mankowsky ihre Arbeit und drei weitere experimentelle Videos vorgestellt. Im Anschluss an die Abendveranstaltung haben sich Anja Michaelsen und Karin Michalski zu einem Gespräch getroffen, um die Diskussion zur Darstellbarkeit und Sagbarkeit des feeling bad und zu dessen politischem Potenzial fortzuführen.
Felix Tristan Gregor: Family Matters. Postmoderne Verwandtschaftsbeziehungen in United States of Tara
Das Bild der klassischen Familie wird in seiner angenommenen Rolle als das Bild der ‚repräsentativ-normalen’ Familie heute immer öfters durch das neue Bild der queeren Familie abgelöst. In einem close-reading der US-Fernsehserie United States of Tara wird der Frage nach alternativen Familien- und Verwandtschaftsstrukturen und ihrer Konstruktion in einem aktuellen medialen Beispiel nachgegangen. Durch eine detaillierte Analyse von Figurenanordnungen und -beziehungen in der Serie wird aufgezeigt, dass die Bilder des klassischen Familienideals einer nuklearen Kleinfamilie heute lediglich in ihren Momenten des Scheiterns und ihrer Unerfüllbarkeit dargestellt werden und damit nicht mehr als Ausdruck der postmodernen Familie dienen. Vielmehr treten alternative Familien- und Verwandtschafts(an-)ordnungen in den Mittelpunkt, die von Familiennetzwerken innerhalb der LGBT-Communities beeinflusst sind. Ausgangspunkt der Untersuchung bilden dabei Thesen Judith Butlers, die sie in Hinblick auf alternative Verwandtschaftsformen formuliert hat. Daneben werden aber auch weitere aktuelle Ansätze aus der Sozial- und Kulturwissenschaft berücksichtigt.
Janine Wahrendorf: Gender Trouble im amerikanischen Fernsehen des 21. Jahrhunderts? Glee und das Spiel mit Geschlechtsidentitäten
Judith Butler formulierte Anfang der neunziger Jahre ihre Theorie der Heteronormativität und bezeichnete die Parodie als Möglichkeit, um Machtstrukturen offen zu legen und Binärismen aufzubrechen, das heißt, als Gender Trouble. Ob und wie die zeitgenössische Serie Glee diese Problematik über zwanzig Jahre später ebenfalls aufgreift, soll vor allem an der Figur des Kurt Hummel analysiert werden, um im Anschluss auf die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf „Homonormativität“ eingehen zu können.