Ausgabe #16 (Februar 2016)

Men at War: Die Konstruktion von Maskulinität in der US-amerikanischen Fernsehserie Homeland Hans Niehues
Gespräche über Race, Class, Gender in Israel/Palästina Maximilian Busch
„She will be hanged after three clear Sundays“. Der Rechtsdiskurs als Träger des Unrechts am Beispiel von The Paradine Case Anke Zechner

parla memento hedera – Das Efeu-Parlament der Erinnerung Simon Dickel


 

Zu dieser Ausgabe

Die zweite Ausgabe in der neuen Blog-Gestalt umfasst Beiträge aus Amerikanistik, feministischer Filmwissenschaft und den Gender Studies. In Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Medien – Fernsehen, Film und Klanginstallation – werden unter anderem hegemoniale Männlichkeit im Quality TV und transgressive Weiblichkeit im Gerichtsfilm in den Blick genommen. Diverse Textformate, wissenschaftliche Artikel, Reisebericht und Künstler-Interview, spannen den Bogen von LGBT-Kämpfen in Tel Aviv bis zu queerer Erinnerungskultur in Berlin Schöneberg.

Einen kritischen Blick auf aktuelle Formen von „Quality TV“ insbesondere in Bezug auf die Repräsentation von Männlichkeit wirft Hans Niehues. Am Beispiel von Homeland beschreibt der Autor den Protagonisten Nicholas Brody, vor dem Hintergrund des Topos einer „Krise der Männlichkeit“, als Repräsentanten hegemonialer Maskulinität. Er untersucht, wie diese im Verlauf der Serie in Relation zu weiblichen und marginalisierten männlichen Figuren eine Resouveränisierung erfährt, einer Logik der Reinstallation hegemonialer Männlichkeit folgend, die es insbesondere in Bezug auf die Popularität von Serien des Quality TV zu berücksichtigen gilt.

Maximilian Busch berichtet von einer vielseitigen politischen Bildungsreise unter dem Titel Gender, Religion, War and Conflict in the Middle East der Hans-Böckler-Stiftung nach Israel/Palästina. Die Reisegruppe erfährt unter anderem von LGBT-Kämpfen in Tel Aviv, Aktivismus gegen Gentrifizierung und diskriminierende Praktiken auf dem Immobilienmarkt in Jaffa, Geschlechterungleichheit, Neoliberalismus und israelisch-palästinensische Gewerkschaftsbeziehungen. Sie diskutieren die Situation der Gender Studies an der Al-Quds-University in Ost-Jerusalem, die Politik der Frauengruppe der Fatah, sowie die Motivation israelischer junger Menschen, nach Berlin zu ziehen.

Wir freuen uns, mit dieser Ausgabe zum ersten Mal einen Gastbeitrag präsentieren zu können. Gastbeiträge werden auch zukünftig in unregelmäßiger Folge Teil des onlinejournals kultur & geschlecht sein. Anke Zechner leitet dieses neue Format mit einer Studie zur doppelten Unsichtbarkeit des Giftmords – des Gifts wie des Mordes – im Gerichtsfilm ein. Am Beispiel von Alfred Hitchcocks The Paradine Case diskutiert sie den Giftmord als ‚genuin weiblichen’ Mord und die Verschränkung von Geschlechter- und Rechtsdiskurs. Dabei geht die Autorin den narrativen und visuellen Ambivalenzen in Bezug auf eine filmische Verurteilung des „giftigen“ Geschlechts nach.

Der Alte St. Matthäus-Kirchhof in Berlin Schöneberg ist Schauplatz des Interviews, das Simon Dickel mit Christian W. Find und Hannes Hacke über deren Klanginstallation parla memento hedera führt. Die Installation, das „Efeu-Parlament der Erinnerung“, gibt die Originaltöne von 16 Personen wider, die auf dem Friedhof bestattet sind – feministische, antirassistische und AIDS-Aktivist_innen des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Künstler erläutern das Zusammenspiel der verschiedenen Elemente der Installation (Stimmen, Efeu, Gewächshaus, Texttafeln) und ihre Intention einer in besonderer Weise belebten, „lauten“ Form der Erinnerungskultur, die zugleich öffentliche Intervention sein will.

 

Men at War: Die Konstruktion von Maskulinität in der US-amerikanischen Fernsehserie Homeland

Hans Niehues

Männlichkeitsforscher_innen wie Michael Kimmel konstatieren, dass sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Maskulinitätskrise in der US-amerikanischen Kultur manifestiere. Aus dieser These ergibt sich die Frage, wie eine solche Krise im ebenfalls zur Jahrhundertwende entstehenden neuen amerikanischen Fernsehserienformat verhandelt wird. Eine Analyse der Konstruktion von Maskulinität in Homeland legt offen, wie eine für die neuen Serien des „Quality TV“ repräsentative Sendung traditionelle Konzeptionen von Männlichkeit vor dem Hintergrund der soziopolitischen Nachwirkungen von 9/11 konserviert, sie als Lösung für eine Maskulinitätskrise präsentiert und so patriarchalische Geschlechterverhältnisse reproduziert.

Gespräche über Race, Class, Gender in Israel/Palästina

Maximilian Busch

Der Nahostkonflikt besitzt eine so starke Durchdringungskraft, dass er andere Konfliktlinien häufig überdeckt. Auf Basis von Erfahrungen und Gesprächen in Israel und Palästina versucht diese Arbeit nachzuzeichnen, auf welche Art die Kategorien Race, Class und Gender an der Formation der Streitlinie Palästina/Israel beteiligt sind.

„She will be hanged after three clear Sundays“. Der Rechtsdiskurs als Träger des Unrechts am Beispiel von The Paradine Case

Anke Zechner

Mein Text soll den medialen Rechtsdiskurs als Träger des Unrechts am Beispiel von The Paradine Case (USA 1947, R: Alfred Hitchcock) aufzeigen. Die grundsätzlich mediale Struktur von Gerichtsverfahren führt zur Verdopplung des Unsichtbaren des Giftmordes im Medium Film. Nicht nur das Gift in seiner Flüchtigkeit und damit der Giftmord als solcher scheint sich zu entziehen, auch der Versuch des diskursiven Aufdeckens und Festhaltens des Giftmordes vor Gericht kann diesen nicht wirklich fassen. Die Frau als Rechtlose steht hier je stärker im Visier, desto ungreifbarer der Giftmord als solcher wird. Dem gegenüber gesetzt wird daher ein theatralisches Moment der Frau, die sich selbst außerhalb des Rechts stellt.

parla memento hedera – Das Efeu-Parlament der Erinnerung

Simon Dickel

parla memento hedera ist der Name einer Klanginstallation des Berliner Klangkünstlers Christian W. Find, die jeweils in den Sommermonaten der Jahre 2012 bis 2015 auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin zugänglich war. In der Klanginstallation werden 16 Stimmen von Aktivist_innen und Künstler_innen, die auf dem Friedhof bestattet sind, hörbar. Das Interview legt einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die in der Installation vertretenen Stimmen zum Thema HIV/AIDS und fragt auf konzeptueller Ebene nach dem Zusammenhang von auditiver Wahrnehmung und Erinnerungspolitik.