Ausgabe #23 (Juli 2019)

Alison Bechdels Queere Archive Julia Glitz
Der Blick als politisches Werkzeug? Der weibliche Blick in I Love Dick Juliane Eschert
#MeToo, TIME’S UP und das Verhältnis von Politischem und Privatem Magdalena John
Indigenous critique on the crossroads of culture, race and gender Vira Bushanska


Zu dieser Ausgabe

Die diesjährige Sommerausgabe #23 des onlinejournal kultur&geschlecht versammelt vier Beiträge, die dem zeitgenössischen Verhältnis von Politischem und Privatem gelten: Schon lange ein Thema feministischer Kritik, ist dieses insbesondere durch die Veränderung medialer Bedingungen und sich globalisierender Perspektiven in Transformation begriffen.

Julia Glitz‘ Beitrag analysiert das Politische in Alison Bechdels Comics im Anschluss an Ann Cvetkovich als ein queeres Archiv, dessen affektives und gegendokumentarisches Potential durch die Medialität des Comics ermöglicht wird.

Kann es einen ,weiblichen Blick‘ geben, fragt Juliane Eschert am Beispiel von Jill Soloways Serie I Love Dick, und diskutiert damit die Aktualität von Laura Mulveys klassischer, psychoanalytischer Filmtheorie unter gegenwärtigen medialen Bedingungen.

Magdalena Johns Beitrag unternimmt eine Kritik der Kategorien des Privaten und Politischen in Anschluss an Hannah Arendt und Judith Butler mit Blick auf die Schaffung immer neuer Teil/Öffentlichkeiten und Un/Sichtbarkeiten durch das Internet: Wie kann seit #MeToo die Vergeschlechtlichung und Rassifizierung von Reproduktions- und Lohnarbeit diskutiert werden?

Der Beitrag von Vira Bushanska setzt sich für ein ethnographisches Storytelling ein, um die Mikropolitiken postkolonialer Gegenwart Australiens zu beschreiben: Wie lässt sich von den Konflikten der Aboriginal und Torres Strait Islander Peoples erzählen und eine feministische Kritik häuslicher Gewalt leisten, ohne neokoloniale und neoliberale Politiken wiedereinzuschreiben?

Außerdem freuen wir uns über die Einrichtung des Marie Jahoda Centers for International Gender Studies (MaJaC):

„Gender Studies versammelt die Mutigen“: Mit diesen Worten eröffnete der Rektor der Ruhr-Universität, Axel Schölmerich, am 25.06.2019 den Festakt anlässlich der Gründung des MaJaC.

Mit der Eröffnung des Forschungszentrums wird der Geschichte und Genese der von verschiedenen Disziplinen und Fakultäten aufgebauten Gender Studies an der RUB Rechnung getragen. Wir begrüßen die Entwicklung, in Zukunft insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs und die lokale wie internationale Vernetzung der Gender Studies zu fördern, sowie das Vertrauen in die wichtige Funktion kritischer Wissensproduktion in Zeiten der Krise der Institutionen und der Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit.

Alison Bechdels Queere Archive

Julia Glitz

Comics und Queerness haben einiges gemein. Brüche mit Vorstellungen von Kohärenz und Linearität werden hier sowohl durch hybride Materialität, als auch durch Projekte des Gegen-Lesens unter Aspekten von Zeit, Affekt und Spur verhandelt. In diesem Artikel werden queertheoretische Überlegungen Ann Cvetkovichs und José Muñoz auf das Medium Comic bezogen und an Beispielen der Comics Alison Bechdels analysiert. Die Potenziale des Queeren Archivs treten in Alison Bechdels Comics nicht nur thematisch offen zutage. Sie entfalten Fragen der Sammlung und Neuordnung von Vergangenheit entlang der homosexuellen autobiographischen, (Comic)Künstler_innenbiographie.

Der Blick als politisches Werkzeug? Der weibliche Blick in I Love Dick

Juliane Eschert

Mehr als 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung scheint der ‚Male Gaze‘-Ansatz von Laura Mulvey noch aktuell zu sein. Denn bis heute gibt es in Theorie und Praxis Versuche, andere Blickökonomien als den männlichen Blick zu erforschen. Ein aktuelles Beispiel ist die Amazon-Serie I Love Dick, deren Creatorin Jill Soloway 2016 einen Vortrag über ihre Ideen zum ‚Female Gaze‘ hielt. Der Beitrag analysiert unter Beachtung von Mulveys Ansatz, wie I Love Dick versucht einen weiblichen Blick zu kreieren. Weiterhin wird untersucht, inwiefern ein Filme- bzw. Serienmachen, wie Soloway beschreibt, ein politisches Unterfangen ist und welches Politikverständnis einem solchen zugrunde liegt.

#MeToo, TIME’S UP und das Verhältnis von Politischem und Privatem

Magdalena John

Wenn wir versuchen zu begreifen was mit #MeToo gemeint ist, bieten sich hierfür eine Vielzahl von Narrativen und Diskursen an. So kann #MeToo als Social Media-Phänomen verstanden werden, aber auch als weltweites netzfeministisches Projekt. Unter dem Eindruck der Sichtbarmachung von durch Sexismus und vergeschlechtlichter Ausbeutung geprägten Arbeitsverhältnissen in der Filmindustrie mittels #MeToo, setzt sich in den USA die Initiative TIME‘S UP für den Arbeitsschutz von Frauen ein. Der Beitrag diskutiert entlang der Kategorien des Privaten und des Politischen feministische Einsätze im Kontext von #MeToo und TIME‘S UP und fragt in Anschluss an Hannah Arendt und Judith Butler danach, wie sich Prozesse und Praktiken der Ent-/Privatisierung und Re-/Politisierung unter zeitgenössischen digitalen Bedingungen neu denken lassen.

Indigenous critique on the crossroads of culture, race and gender

Vira Bushanska

Based on the ethnographic stories depicting the disconcerting aspects of cross-cultural communication in the Northern Territory, Australia, this article deals with the uncertainties of political communication and complex intersections of the issues of culture, race and gender in political discourses regarding Indigenous people. The central question is the one of different ways of knowing and dealing with Indigenous critique in a postcolonial society, their effects on political negotiations on different levels and possibilities of re-imagining those with respect to current political developments.